MEHR ALS NUR EIN BILLIGMARKT?
Temu, betrieben von Pinduoduo, hat den europäischen Markt mit einer Flut an Billigprodukten und dem Versprechen, bald auch westlichen Händlern Zugang zu bieten, aufgemischt. Zwei Drittel der deutschen Konsumentinnen und Konsumenten bezeichnen sich selbst als Schnäppchenjäger – Temus Preisstrategie passt also perfekt ins Bild.
Trotz seiner Beliebtheit gilt Temu jedoch nicht als der gefährlichste Herausforderer für westliche E-Commerce-Giganten wie Amazon oder eBay. Experten wie Damian Maib (GENUINE Germany) und Jan Bechler (Front Row) argumentieren, dass Temus enge Verbindung zu Billigware seine Attraktivität für Marken einschränkt, die langfristig auf Reputation und Premium-Positionierung setzen.
PREISDRUCK VS. MARKENSCHUTZ
Deutsche Händler bleiben skeptisch. Konsumentinnen und Konsumenten schätzen Temus aggressive Preisgestaltung und kostenlosen Versand. Marken hingegen befürchten, durch ihre Präsenz auf der Plattform abgewertet zu werden. Bechler bezeichnet Temu als „Ein-Euro-Shop des Internets“ und wirft Fragen nach Qualitätswahrnehmung und Kundenservice auf – vor allem im Vergleich zu Amazons etabliertem Ruf.
Allerdings könnte Temus Strategie in stark standardisierten Kategorien wie Haushaltswaren oder Tech-Zubehör aufgehen, wo Markenbindung eine geringere Rolle spielt. Niedrige Kommissionsgebühren (meist unter 5 Prozent) machen Temu zudem zu einer attraktiven Plattform für volumengetriebene Händler, die auf Margen achten müssen.
TMALL, TIKTOK UND DER AUFSTIEG VON SOCIAL COMMERCE
Noch größere Veränderungen könnten von Tmall (Alibaba Group) und TikTok Shop ausgehen. Tmall hat bereits einen europäischen Pilotversuch in Spanien gestartet und plant die Expansion. Mit verlässlicher Infrastruktur und einem wachsenden Markenumfeld besitzt Tmall deutliche Vorteile.
TikTok wiederum erreicht schon jetzt Millionen europäische Nutzerinnen und Nutzer und bietet eine nahtlose Verbindung von Content, Community und Commerce.
Laut Maib basiert Chinas Dominanz nicht nur auf der Größe der Plattformen, sondern auf einer ausgefeilten Mischung aus Plattformhandel und Social Selling über WeChat und Douyin. Klassische Webshops sind in China fast bedeutungslos – Verkäufe laufen über Plattformen und zunehmend über Influencer-gesteuerte Streams. Ein Modell, das westliche Marken nun adaptieren lernen müssen.
GEBÜHREN-REVOLUTION UND MARKTDRUCK
Unabhängig davon, wer sich durchsetzt – Temu, Tmall oder TikTok – ihr Eintritt in den europäischen Markt senkt die Plattformgebühren und verändert die Erwartungen an Geschwindigkeit, Vielfalt und Interaktion. Westliche Marktplätze geraten damit auf allen Ebenen unter Druck: bei Margen, bei der Aufmerksamkeit der Kunden und beim Nutzererlebnis.
Die Frage ist nicht, ob chinesische Plattformen den europäischen E-Commerce verändern. Sondern wie stark und wie schnell.
Hier geht es zum ganzen Artikel: “Chinesische E-Commerce-Offensive: Warum Temu nicht der gefährlichste Herausforderer ist” ,t3n, 09.02.2024
